Wie kommen Städte an mehr Frei- und Grünflächen? Potenziale einer nachhaltigen Bodenpolitik im deutsch-französischen Vergleich
18.12.2024
Steigende Bodenpreise, Flächenkonkurrenz und Instandhaltungskosten für städtische Grünflächen, bei gleichzeitigem Auftrag, die Städte fit für die Klimaanpassung zu machen und Versiegelung einzudämmen: Kommunen sind in ihrer Bodenpolitik mit enormen Herausforderungen konfrontiert, die bisher in der öffentlichen Debatte jedoch wenig diskutiert werden. Daher widmet sich eine RIFS-Studie des Deutsch-Französischen Zukunftswerks diesem Thema im deutsch-französischen Vergleich.
Versiegelung schreitet alarmierend voran
Eine aktuelle Recherche von Correctiv zeigt, dass Städte weiterhin große Flächen versiegeln.
In Hamburg sind es seit 2018 15 Quadratkilometer– das entspricht etwa der fünffachen Fläche des Stadtteils St. Pauli oder 1.960 Fußballfeldern. In Leipzig sind es im selben Zeitraum knapp 2 % der gesamten Stadtfläche, während Stuttgart als einzige der drei Städte einen leichten Rückgang verzeichnete. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Bauen „auf der grünen Wiese“ ist immer noch günstiger als im Bestand. Bewusstsein und Aktionswille in der Verwaltung, aber auch gesamtstädtische Koordination der Versiegelung sind oft unzureichend.
Die Versiegelungsdynamiken stehen im Widerspruch zur besonderen Bedeutung, die unversiegelte und begrünte Flächen für nachhaltige Stadtentwicklung haben. Denn Grünflächen sind weit mehr als Erholungsräume: Sie fördern als Treffpunkte den sozialen Zusammenhalt, unterstützen Städte bei der Klimaanpassung und verbessern das städtische Mikroklima. Letztlich schützen sie so auch die Gesundheit der Bevölkerung.
Ambitionierte Renaturierungsprojekte
Trotz der zahlreichen Herausforderungen gibt es positive Beispiele für Renaturierung und Entsiegelung. In Siegen, einer ehemaligen Arbeiterstadt in Westfalen, wurde 2021 ein Geschäftshaus im Stadtzentrum abgerissen, um Platz für eine Grünfläche – den Herrengarten – zu schaffen. Diese ergänzt das renaturierte Flussufer der Sieg, das zuvor als Parkplatz genutzt wurde. Heute hat die Innenstadt an Aufenthaltsqualität gewonnen, und die Freifläche ist ein beliebter Treffpunkt.
Ein weiteres Vorzeigeprojekt findet sich in Wattrelos an der französisch-belgischen Grenze. Dort wurde ein ehemaliges Industriegelände eines Chemieunternehmens renaturiert. Große Teile des Areals wurden zu einem Landschaftspark umgestaltet, der inzwischen teilweise öffentlich zugänglich ist und von den Bewohnern der Umgebung rege genutzt wird.
Flächenankauf als Hebel für die Freiraumentwicklung
Was diese auf den ersten Blick so unterschiedlichen Projekte verbindet: Die Städte haben mutige Grundstückskäufe getätigt, um ihre Freiflächen zu entwickeln. Während die Stadt Siegen Teile des Geländes über das Vorkaufsrecht erwarb, unterstützte das établissement public foncier Hauts-de-France (EPF HdF) die Stadt bzw. den Gemeindeverbund beim Kauf und der Renaturierung des stark belasteten Geländes. Die Beispiele werfen so ein Licht auf einen oft vergessenen, aber entscheidenden Faktor bei der Freiraumentwicklung: die Eigentumsverhältnisse von Boden.
Unsere Studie beleuchtet diese Bedeutung des öffentlichen Eigentums. Sie zeigt, wie Kommunen Flächen für die Freiraumentwicklung erwerben und mit welchen Herausforderungen sie dabei konfrontiert sind. Sie wirft auch einen Blick auf unterstützende Instrumente - wie die EPF in Frankreich oder die Bodenfonds in Deutschland - und skizziert erste Ideen, wie diese weiterentwickelt werden könnten.
Bodenpolitische Instrumente sollten nachhaltiger ausgerichtet sein
Die Länder und die nationalen Regierungen könnten dabei unterstützen, bestehende Instrumente zur Förderung des Flächenerwerbs - wie EPF und Bodenfonds - so anzupassen, dass Kommunen Frei- und Grünflächen leichter erwerben können. Dazu hat das Zukunftswerk im Rahmen seiner Arbeit zur nachhaltigen Stadtentwicklung eine Handlungsempfehlung entwickelt.
Die Studie versteht sich als Hintergrundpapier zur Empfehlung und gibt einen Überblick über die Debatten und Instrumente im deutsch-französischen Vergleich sowie konkrete Vorschläge, wie bodenpolitische Instrumente nachhaltiger ausgerichtet werden können.