Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

Mehr Tempo für die jordanische Energiewende

12.12.2022

Die Energiewende in Jordanien ist schnell und ehrgeizig verlaufen: Im Jahr 2021 lag der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung in Jordanien bei 26 %, gegenüber weniger als 1 % im Jahr 2014. Auslöser für diesen gewaltigen Sprung nach vorn war die Sorge um die Energiesicherheit im Nachgang des Arabischen Frühlings. Seitdem hat sich Jordanien zu einem regionalen Vorreiter im Bereich der sauberen Energien entwickelt, mit über 300 PV-Unternehmen und rund 13.000 Beschäftigten in diesem Sektor. Die Fortschritte sind jedoch ins Stocken geraten, was vor allem auf Konflikte zwischen den jordanischen Zielen im Bereich der erneuerbaren Energien und den Kosten der Überkapazitäten für fossile Brennstoffe für das staatliche Stromübertragungs- und -verteilungsunternehmen NEPCO zurückzuführen ist.

Wadi Azraq solar farm in Jordan
Jordan’s energy transition has been rapid and ambitious.

Dass die Energiewende in Jordanien an Schwung verloren hat, ist vor allem auf die finanziellen Belastungen der NEPCO zurückzuführen, die in Abnahmeverträgen für fossile Brennstoffe und in langfristigen Verträgen für den Kauf von mit diesen Brennstoffen erzeugtem Strom gefangen ist. Die Abnahme- und Lieferverpflichtungen der NEPCO haben in Verbindung mit dem raschen Wachstum der erneuerbaren Energien zu einer Überangebotssituation geführt, in der die Schulden des Unternehmens ansteigen, wenn die erneuerbaren Energien die fossilen Kapazitäten aus dem Netz "verdrängen". Da 20 % der öffentlichen Schulden mit dem Stromsektor verbunden sind, hat die Notlage von NEPCO weitreichende Folgen.

Es wird eine verstärkte regionale Zusammenarbeit erforderlich sein, um Jordaniens Verpflichtungen zum Kauf fossiler Brennstoffe und fossilen Stroms neu auszuhandeln und den regionalen Strommarkt zu erweitern, damit Jordanien Überschüsse exportieren und sich als Drehscheibe für saubere Energie etablieren kann. Auch wenn der bisherige Top-down-Ansatz in der jordanischen Energiepolitik ausschlaggebend für das rasche Wachstum der erneuerbaren Energien war, ist es offensichtlich, dass Akteure aus verschiedenen Ministerien sowie aus der Industrie und der Zivilgesellschaft in künftige politische Entwicklungsprozesse eingebunden werden müssen, um die Energiewende in Jordanien zu beschleunigen und den Übergang von einem Single-Buyer-Modell zu einem wettbewerbsfähigeren Strommarkt zu vollziehen.

Im IASS Policy Brief "Accelerating the Jordanian Energy Transition" (Beschleunigung der Energiewende in Jordanien) stützen sich die Autoren auf die Ergebnisse von zwei Stakeholder-Workshops mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus verschiedenen Sektoren in Jordanien und geben drei Schlüsselempfehlungen:

Botschaft 1:

Regionale Zusammenarbeit verstärken: Die Bemühungen um eine Ausweitung der grenzüberschreitenden Energieverbundnetze sollten verstärkt und beschleunigt werden, und zwar sowohl in den Nachbarländern als auch in der Golfregion und in Europa. Andere Formen der regionalen Zusammenarbeit, die die Schuldenlast der NEPCO verringern könnten, sollten geprüft werden, z. B. die Neuverhandlung von Stromabnahmevereinbarungen oder gemeinsame Projekte für grünen Wasserstoff und Ammoniak.

Botschaft 2:

Beteiligung von Interessengruppen an der Entwicklung der Energiepolitik und der Entscheidungsfindung: Einschlägige Akteure aus Industrie und Finanzwesen sollten an der nationalen Energieplanung beteiligt werden. Internationale Geber sollten sicherstellen, dass ihr Engagement in jordanischen Energiefragen lokale Industrie-, Forschungs- und Finanzexperten einbezieht, damit die breiteren Auswirkungen und Implikationen von Energieentscheidungen verstanden werden.

Botschaft 3:

Reform des Strommarktes: Das Single-Buyer-Modell hat sich für Jordanien nicht bewährt und die Bemühungen um eine Liberalisierung des Strommarktes sollten zügig fortgesetzt werden. Im Rahmen dieser Reformen sollte die NEPCO umstrukturiert und als Übertragungsnetzbetreiber neu positioniert werden. In Zusammenarbeit mit den zuständigen Ministerien und Interessengruppen sollte ein Aktionsplan für die Marktliberalisierung entwickelt werden, der die Einbeziehung von Akteuren außerhalb der NEPCO gewährleistet.

Weko, S., Hermann, J., Apergi, M., Eicke, L., Goldthau, A., Kurniawan, J., Schuch, E. (2022): Accelerating the Jordanian Energy Transition. - IASS Policy Brief, 2022, 6.

https://doi.org/10.48481/iass.2022.043
 

 

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